STELLUNGNAHME VON WORKERS UNITING ZU DER ANTI-GEWERKSCHAFTSKAMPAGNE VON SIEMENS IN NORTH EAST, MARYLAND, USA

28. August 2012

Workers Uniting verurteilt die Anti-Gewerkschaftsaktionen des internationalen Konzerns Siemens auf das Schärfste. Mit diesen Aktionen will Siemens eine Kampagne der Firmenmitarbeiter in North East, Maryland, USA, der Gewerkschaft United Steelworkers beizutreten, unterbinden.

Der North East Betrieb ist eine Maschinenwerkstatt mit 42 Produktionsmitarbeitern. Die Gewerkschaft United Steelworkers (USW) und die Firma haben sich darauf geeinigt, am 6. September unter Leitung des National Labor Relations Board (NLRB) eine Abstimmung durchzuführen.

Die Arbeiter haben angefangen, sich gewerkschaftlich zu organisieren, weil:

  • Arbeiter, die die gleiche Arbeit ausführen, aufgrund von Bevor- und Benachteiligungen verschiedene Löhne und unterschiedliche Lohnsteigerungen erhalten.
  • das Management Urlaubskürzungen durchführt
  • das Management eine grundsätzlich ablehnende Haltung einnimmt.

Als Antwort auf die Kampagne zur gewerkschaftlichen Organisation hat Siemens mit Ken Cannon und Joe Brock zwei hochbezahlte Anti-Gewerkschaftsberater engagiert, die Mitarbeiter in obligatorischen Vier-Augen-Gesprächen systematisch einschüchtern.

Diese Berater haben sich zusammen mit Siemens-Managern an folgenden Anti-Gewerkschaftsaktionen beteiligt:

  • Sie haben Mitarbeitern gedroht, dass es sinnlos wäre, der Gewerkschaft beizutreten.
  • Sie haben Mitarbeitern damit gedroht, dass die Gewerkschaft aus verschiedenen Gründen für ihre Entlassung sorgen würde.
  • Sie haben Informationsmaterial der Gewerkschaft aus Bereichen, in denen nicht gearbeitet wird, entfernt.
  • Sie haben Mitarbeitern verboten, über die Gewerkschaft zu sprechen.
  • Sie haben Gewerkschaftsaktivitäten überwacht (Mitarbeiter, die außerhalb des Betriebs Informationsmaterial der Gewerkschaft angenommen haben, wurden fotografiert)
  • Sie haben Mitarbeitern damit gedroht, dass durch den Beitritt zur Gewerkschaft Kunden verloren gehen würden (es wurde behauptet, dass Kunden mit Siemens keine Geschäftsbeziehungen unterhalten wollten, wenn die Arbeiter gewerkschaftlich organisiert wären).
  • Sie haben Mitarbeiter dazu gezwungen, eine Unterschriftensammlung gegen die Gewerkschaft zu unterschreiben.

Der Anti-Gewerkschaftsaufruf des Unternehmens wurde in schriftlichen Mitteilungen an die Mitarbeiter, darunter in Briefen an ihre Privatanschriften, wiederholt.

Alle diese Aktivitäten verletzen das US-amerikanische Arbeitsgesetz (U.S. National Labor Relations Act). USW hat zahlreiche Klagen gegen Siemens wegen unlauterer Arbeitspraktiken beim National Labor Relations Board eingereicht.

Workers Uniting ist der Ansicht, dass das Unternehmen nicht nur US-amerikanisches Recht sondern auch die Konvention 87 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verletzt.

Darüber hinaus meinen wir, dass die Maßnahmen des Siemens-Managements das am 25. Juli 2012 unterzeichnete internationale Rahmenabkommen (International Framework Agreement, IFA) zwischen der Siemens AG, dem Gesamtbetriebsrat des Unternehmens, der deutschen Metallarbeiter-Gewerkschaft IG Metall und dem internationalen Industriegewerkschaftsverband IndustriALL Global Union verletzen. In dieser Rahmenvereinbarung „erkennt Siemens ausdrücklich die Grundrechte der Mitarbeiter an, die in den Grundsatzkonventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) definiert sind“. Insbesondere heißt es in Abschnitt 2.4 des IFA:

Das Recht der Mitarbeiter, Gewerkschaften zu gründen, bestehenden Gewerkschaften beizutreten und kollektive Verhandlungen zu führen, wird anerkannt. Mitglieder von Arbeitnehmervertretungen oder Gewerkschaften haben aufgrund ihrer Mitgliedschaft weder Vor- noch Nachteile (siehe Richtlinien der ILO-Konventionen 87 und 98). Es wird eine konstruktive Zusammenarbeit mit Mitarbeitern und Arbeitnehmervertretern auf Grundlage der örtlichen Gesetzgebung angestrebt. Selbst bei kontroversen Diskussionen wird es immer das Ziel sein, eine effektive, konstruktive Zusammenarbeit aufrecht zu erhalten und Lösungen zu finden, die unsere kommerziellen Interessen und die Interessen der Mitarbeiter ausgewogen berücksichtigen.

Entspricht der Schutz der Arbeitnehmer in einem Land, in dem Siemens tätig ist, im Wesentlichen nicht diesen Prinzipien, wird Siemens trotzdem diese höheren Standards für seine Mitarbeiter anwenden.

Das Verhalten des Siemens-Managements im North East-Werk hat Mitarbeiter bei dem Versuch, sich gewerkschaftlich zu organisieren, tatsächlich benachteiligt und wird dem Vorsatz des Unternehmens, eine konstruktive Zusammenarbeit aufrecht zu erhalten, absolut nicht gerecht. Die Aktionen des Konzerns widersprechen offen und direkt sowohl der Absicht als auch dem Wortlaut des internationalen Rahmenabkommens (IFA). Die Aussage auf der IndustriALL-Webseite „Siemens bekennt sich nochmals zu den Grundsatzrechten von Arbeitnehmern wie Chancengleichheit, Vereinigungsfreiheit und kollektiven Lohnverhandlungen“ wird damit Lügen gestraft.

Workers Uniting ist der Ansicht, dass zur Einhaltung des Rahmenabkommens, der ILO-Konventionen und der US-amerikanischen Gesetze Folgendes unternommen werden muss:

  • Siemens muss sofort seine Beziehungen zu den Anti-Gewerkschaftsberatern Ken Cannon und Joe Brock abbrechen und die oben aufgeführten Anti-Gewerkschaftsaktivitäten einstellen.
  • Siemens muss eine Versammlung aller Mitarbeiter einberufen, an der das obere Management und Vertretern der USW teilnehmen, und erklären, dass das Unternehmen zukünftig eine neutrale Haltung einnimmt, alle Anti-Gewerkschaftsmaßnahmen einstellt, keine Repressalien gegen Mitarbeiter wegen deren Gewerkschaftsmitgliedschaft unternimmt und der USW angemessenen Zugang zum Betrieb gewährt, damit diese mit den Mitarbeitern sprechen kann.
  • Das Unternehmen sollte allen Mitarbeitern eine Kopie des Rahmenabkommens (IFA) zukommen lassen.

Wir bitten die Mitglieder des internationalen Gewerkschaftsbundes an den Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG, Peter Löscher, zu schreiben und ihn darum zu bitten, die Anti-Gewerkschaftskampagne zu beenden und das von Siemens unterzeichnete Abkommen einzuhalten. Ein Musterbrief ist beigefügt.

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